Chahan Yeretzian

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Heute ist Chahan Yeretzian ein hochgeschätzter Wissenschaftler, den es nach seiner Doktorarbeit in Chemie an der Berner Universität nach Los Angeles verschlug, wo er drei Jahre lang als Stipendiat an der Universität von Kalifornien forschte. Danach erhielt er den Alexander von Humboldt Junior Award und ging für zwei Jahre nach Deutschland an die Technische Universität München. 1996 kehrte er wieder in die Schweiz zurück, um im Nestlé Research Center in Lausanne zu forschen, hauptsächlich an Kaffee.
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Chahan Yeretzian ist ein hochgeschätzter Wissenschaftler, den es nach seiner Doktorarbeit in Chemie an der Berner Universität nach Los Angeles verschlug, wo er drei Jahre lang als Stipendiat an der Universität von Kalifornien forschte. Danach erhielt er den Alexander von Humboldt Junior Award und ging für zwei Jahre nach Deutschland an die Technische Universität München. 1996 kehrte er wieder in die Schweiz zurück, um im Nestlé Research Center in Lausanne zu forschen, hauptsächlich an Kaffee. Heute ist Chahan Yeretzian Professor für analytische Chemie, bioanalytische Chemie und Diagnostik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
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Wenn man nach dem Idealpartner fragt, wissen die meisten ganz genau, wie er sein soll. Professor Chahan Yeretzian beantwortet die Frage mit derselben Präzision, wenn es um Kaffee geht: „Wenn man wirklich guten Espresso hat, und das hat man nicht sehr oft, dann weiß man, was der Genuss eines exzellenten Kaffees bedeutet. Für mich muss er viel Körper haben, das nenne ich die Essenz des Kaffees. Er darf also nicht zu flüssig sein. Zudem liebe ich Kakao- und Röstnoten mit einer leichten und klaren Säure, die jedoch nicht zu sehr dominiert.“ 

Im Auftrag diverser Unternehmen und der Regierung forscht er zusammen mit seinem Expertenteam an Kaffee. Zu diesem Zwecke hat sein Team unter anderem Methoden und Instrumente entwickelt, die jede Veränderung der Kaffeebohnen beim Röstprozess zeitgenau registrieren. „Dadurch können wir gezielt gewisse Aromen hervorheben“, sagt Chahan Yeretzian. Aus Genuss trinkt er sechs bis acht Tassen Kaffee am Tag, zu Forschungszwecken kommen gelegentlich einige hinzu. Seit 2009 ist er Vorstandsmitglied der „Schweizer Sektion der Specialty Coffee Association of Europe“.

 

 

2014 wurde er in den Vorstand der „Specialty Coffee Association of Europe“ gewählt und leitet in dieser Funktion das Forschungskomitee. Ein Jahr darauf wurde er in den Vorstand der „Association for the Science and Information on Coffee“ gewählt. Ein wichtiges Anliegen dieser Kaffeeorganisationen ist es, die Entwicklung der Kaffeebranche von den Bauern und Anbauländern bis hin zum Konsumenten zu fördern und die Qualität in der Tasse zu verbessern.

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  Chahan Yeretzian mit seinen Eltern Aïda und Kegham Yeretzian im Libanon, Sommer 1966

 

Vom schlechtesten Schüler zum besten

 
Obwohl er als Kind nie gern zur Schule ging, kann der 1960 in Aleppo geborene Chahan Yeretzian auf eine bemerkenswerte akademische Laufbahn zurückblicken. Er war sieben Jahre alt, als sein Vater den Entschluss fasste, Syrien zu verlassen. Zusammen mit seinen beiden Schwestern Ani und Aline landete die Familie mitten im Schweizer Winter in Bern. Die Schweiz wurde bald zu ihrer neuen Heimat. 1967 herrschte im Nahen Osten eine angespannte Situation, die bald in den Sechstagekrieg zwischen Israel und den arabischen Staaten mündete. Alle hohen Funktionäre in Syrien wurden zum Militärdienst verpflichtet. Auch Chahan Yeretzians Vater, der nichts mit dem Militär zu tun hatte. „Eines Tages wurde ihm eine Offiziersuniform nach Hause geschickt. Ich glaube, das war für ihn ein Auslöser und er sagte: ‚Wir müssen weg‘“, erzählt Chahan Yeretzian.
 
Sein Vater unterhielt gute Kontakte zu internationalen Organisationen und bekam so das verlockende Angebot, für eine von diesen mit Sitz in der Schweiz zu arbeiten. Dankbar nahm er es an. „Zu Beginn habe ich wegen der Sprache von der Schule überhaupt nichts mitbekommen. Bin auch nicht interessiert gewesen. Ich kam oft spät zur Schule, warum sollte ich auch pünktlich sein“, erinnert sich Chahan Yeretzian an seine Kindheit. Drei Jahre lang war er einer der schlechtesten Schüler in seiner Klasse. „Wie in jeder armenischen Familie, wurde auch bei uns Bildung groß geschrieben. Meine Mutter begann, intensiv mit mir zu arbeiten. In der so wichtigen fünften Klasse begann ich schliesslich aus eigener Motivation zu lernen.“
 
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                       Chahan Yeretzian vor seiner Abreise in die Schweiz, Beirut 1964.

 

Von da an gehörte er zu den Besten in seiner Klasse. Es klappte auch besser mit der Integration. Er gewann viele Freunde, zu denen er auch heute noch in Kontakt steht. „In meiner Familie wurde mir oft vermittelt, dass man bei dem, was man tut, stets bei den Besten sein muss.“ Chahan Yeretzian hatte Erfolge nicht nur in der Schule, sondern auch im Sport und schaffte es in die Schweizer Volleyball-Nationalliga B.

„Für meinen Vater war es wichtig, dass ich in allem, was ich tue, gut bin. Er selber war ein Genie“, fügt Chahan Yeretzian hinzu. „Mein Vater Kegham Yeretzian ist unter schwierigen familiären und finanziellen Umständen aufgewachsen. Parallel zu seinem Studium trat er bereits mit 17 seine erste Stelle bei der syrischen Eisenbahn in Aleppo an, damit er sich um seine Mutter und seinen kleinen Bruder kümmern konnte. Und trotzdem war er immer einer der Besten in seiner Klasse und im Studium. Er studierte Jura und Politik an der Sorbonne-Universität in Paris. Er sparte das Geld für seine Mutter und die Fernkurse in Paris, wo er für die Prüfungen hinreiste. Er wollte unbedingt an einer großen Universität studiert haben. Nach seinem Abschluss mit 23 Jahren trat er eine erfolgreiche berufliche Laufbahn bei den syrischen Eisenbahnen an. Er war nie politisch aktiv und ein extrem gewissenhafter Mensch, sehr ehrlich, gerade und streng mit sich. Lange hatte ich geglaubt alle Menschen seien so wie mein Vater. Er hat sich zum Leiter der syrischen Eisenbahnen hochgearbeitet und leitete zudem jahrelang die Armenian General Benevolent Union (AGBU), ein Armenischer Wohltätigkeitsverein in Aleppo. Im Jahr 1989, kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion gründete mein Vater die Schweizer Sektion der armenischen Hilfsorganisation Himnadram.“

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 Chahan Yeretzians Großeltern Linda Meymarian und Dikran Yeretzian. Hochzeitsfoto, 1923

 

Im Alter von fünfzehn Jahren verlor Kegham Yeretzian seinen Vater Dikran. Seine Mutter Linda Meymarian, eine Überlebende des Völkermordes, heiratete zwar ein zweites Mal, doch der Stiefvater wurde nie wirklich Teil der Familie. „Meinen ersten Großvater Dikran Yeretzian lernte ich nie kennen. Er wurde in Sasoun geboren und überlebte als einziger aus seiner Familie die Deportation. Seinen Bruder David nahmen die Türken noch vor den Deportationen gefangen und töteten ihn. Er war als Bote unterwegs, um Hilfe für das umzingelte Sasoun zu holen“, erzählt Chahan Yeretzian. Sein erster Großvater Dikran Yeretzian eröffnete später eine Apotheke in Aleppo, die er jedoch nach einigen Jahren verkaufen musste. „Meine Großmutter Linda war eine sehr sanfte Persönlichkeit. Sie wurde 1907 in Adana geboren. Als der Völkermord begann, zog die Familie Meymarian noch rechtzeitig weg und reiste nach Aleppo, wo sie sich ein neues Leben aufbaute. Die Meymarians waren eine relativ große Familie, die in Adana Land und Häuser besaß.“

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                                    Kegham Yeretzian und Aïda Papazian. Hochzeitsfoto, 1957

 

Ein Zeitungsartikel bringt Chahan Yeretzians Eltern zusammen

 
„Mein Vater hat in der Zeitung gelesen, dass meine Mutter mit 18 das beste Abitur in Beirut gemacht hatte. Er schrieb der Familie und bat um ein Kennenlernen. So reiste er nach Beirut, um sie zu besuchen und ihr einen Antrag zu machen.“ Sie war 20, als sie den 33-jährigen Kegham heiratete. Aïda stammte aus einer sehr angesehenen Familie. Ihr Vater Kevork Papazian war Jurist im Libanon und kümmerte sich sehr gut um die Familie. Sie waren noch vor dem Völkermord aus Istanbul weggezogen.
 
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                                          Aïda Papazians Vater Kevork Papazian.

 

„Erzogen hat uns meine Mutter“, sagt Chahan Yeretzian. „Mein Vater hatte einen exakt durchgeplanten Tagesablauf. Er ging immer zur gleichen Zeit zur Arbeit, kam zur gleichen Zeit jeden Mittag nach Hause, um zusammen mit uns zu essen. Er war sehr verantwortungsvoll und ein Vorbild für uns.“ Die Mutter habe in der Schweiz viel Wert darauf gelegt, dass ihre Kinder Armenisch lernten. Die Familie besuchte regelmäßig Kulturveranstaltungen in der armenischen Gemeinde, erzählt Chahan Yeretzian. Und doch fühle er sich nicht nur als Armenier: „Ich würde eigentlich sagen, ich bin Armenier, aber ich habe die Denkweise eines Schweizers. Wir Armenier haben eine Geschichte, die natürlich nicht die gleiche ist. So gut ich auch die Schweizer Geschichte kenne, meine Geschichte ist die Geschichte der Armenier“, erklärt der Professor. Auch das Familienverständnis der Armenier weiß er zu schätzen. „Man ist Teil der Großfamilie und teilt alles.“

 
In der Frage der Anerkennung des Völkermordes sollten sich die Armenier nicht gänzlich verlieren, meint der Wissenschaftler. Sie sei für die Geschichte der Welt, Europas und der Türkei sehr wichtig. Insbesondere für die Türkei, denn die Verdrängung und Leugnung dieses so einschneidenden Ereignisses in ihrer eigene Geschichte blockiere die Entwicklung dieses Landes. „Für mich gehört das jedoch der Vergangenheit an“, sagt Chahan Yeretzian entschlossen. „Als neue Generation von Armeniern müssen wir nach vorne schauen und sollten etwas bewirken in der Welt, in der wir heute leben.“
 
 
Chahan Yeretzian ist mit Carla Kapikian verheiratet, eine in New York geborene Amerikanerin armenischen Ursprungs. Gemeinsam haben sie zwei Kinder – Liana und Michael.
 
Die Geschichte wurde vom Forschungsteam der Initiative 100 LIVES verifiziert. 
 
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Als neue Generation von Armeniern müssen wir nach vorne schauen.
Story number: 
217
Author: 
Irina Lamp
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