Hratch Kaprielian
Wenn Hratch Kaprielian als seinen Geburtsort Konstantinopel nennt, halb trotzig und halb süffisant, so spiegelt das die vielen Gesichter dieser einzigartigen Stadt. Aber auch den Stolz einer Familie, deren Überlieferung bis ins Mittelalter zurückreicht. Kaprielian hütet ein historisches Vermächtnis. Es ist ein schweres Vermächtnis, das ihn zugleich antreibt und bedrückt.
Dabei wirkt er so gar nicht wie ein Stubengelehrter. Er gibt sich kämpferisch und impulsiv; mehr Tatmensch als Wortmensch. Hratch bedeutet Feuerauge – es ist ein heidnischer Name, und ein Omen dazu. Etwas lodert in ihm.
Die Eltern mit dem kleinen Hratch, Mitte der fünfziger Jahre |
Hratch Kaprielian (Mitte, 5. v. l.) mit der Mannschaft und den Betreuern des FC Ararat |
In die Türkei ist Hratch Nerses Kaprielian nie zurückgekehrt, 45 lange Jahre nicht. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Affekte im Zaum halten könnte.“ Es sind starke Affekte, für die es keinen einfachen Nenner gibt. Erbitterung, Schmerz, Ohnmacht, Verwirrung, Liebe, namenlose Wut und stille Trauer, all das rumort darin. Dazu die unglückliche Geschichte des Landes wie die seiner Familie.
Großmutter Gulisar in den sechziger Jahren |
Agavni und Jirayr Kaprielian, die Großeltern mütterlicherseits |
Ein Porträt von Großvater Jirayr |
Sein Engagement in Armenien geschieht durchaus mit patriotischem Gestus, und manchmal kommt der draufgängerische Junge aus der Kumkapi-Clique durch. Aber er hütet sich, die Grenze zum Fanatismus zu übertreten. „Ich kann doch niemanden hassen, nur weil er Türke ist.“ Oh ja, es waren Türken, die sechzehn Männer der Familie umbrachten und Frauen und Kinder auf einen Todesmarsch schickten. Aber die Nachbarn, die mit den Pferden kamen, um Nerses Agha in Sicherheit zu bringen, der Anführer, der Minas und die anderen Jugendlichen verschonte, der Soldat, der sich schützend vor sie stellte, und die Dorfbewohner, die Geghmes den lebensrettenden Trank einflößten – auch sie waren Türken, vereinzelt auch Kurden. Sie alle bewiesen Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit.