Die Geschichte der Familie von Aretin

German

Vor Azat Ordukhanyan

 
Ein vierjähriger Armenier im Hause Wittelsbach –
Ursprung einer weit verzweigten Adelsfamilie
 
In der Geschichte der armenischen Familien, die nach Deutschland eingewandert sind und bis heute hier leben, hat die Geschichte der Familie von Aretin einen besonderen Platz. Der Gründer der Familie von Aretin in Deutschland hieß Aroutioun (Harutyun) ab Siounik. 
 
Im Oktober 1706 bringt das Schiff „Sao Paolo“ aus Konstantinopel einen vierjährigen Jungen nach Venedig zur Fürstin Kunigunde. Die polnische Fürstin Therese Kunigunde war die Gemahlin des bayrischen Kurfürsten Max Emmanuel II. aus der Familie der Wittelsbacher. Infolge des spanischen Erbfolgekrieges Anfang 18. Jahrhunderts waren sie gezwungen ihren Sitz in München zu verlassen und lebten in Brüssel und Venedig. 
 
Der vierjährige Junge war der Sohn des armenischen Fürsten Baghdasar von Sünik im südöstlichen Armenien. Getauft wurder der Junge in der Kirche der Jungfrau Maria in Konstantinopel als Howhannes (zu Deutsch: Johannes) Harutyun. Er wird mit dem Begleitbrief des französischen Botschafters sowie mit Gold und zahlreichen Kisten voller Schätze der Fürstin Kunigunde übergeben. Nach dem Rastatter Frieden gelingt es der Wittelsbacher Fürstenfamilie wieder nach München zurückzukehren. Sie nehmen den mittlerweile 14 Jahre alten Jungen mit. Hier liegen die Wurzeln des armenisch-deutschen Adelshauses von Aretin. 
 
Aretin ist eine geläufige Abkürzung des armenischen Namens Harutyun. Sein Vorname war zum Familiennamen geworden. Obwohl er bis zu seinem Tode am 11. Oktober 1769 (im Alter von 63 Jahren) in München und Ingolstadt lebte und keine Kontakte mit seiner Muttersprache, seinen Eltern, seinem Volk und seiner Heimat hatte, war ihm seine armenische Herkunft und ihre Bedeutung bewusst.
 
Nach seiner Ausbildung bekleidet Aretin ab 1723 ein hohes Amt am Kurfürstenhof  von München. Später leitet er das Zollamt von Ingolstadt in Bayern, wo er dann 1726 Anna Maria Katharina von Chlingenberg, die Tochter des Direktors der Universität Ingolstadt, heiratet. Am 11. April 1769 verleiht der Kurfürst von Bayern Joseph Karl Maximilian III. ihm den Adelstitel. 
 
Von Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute haben die Angehörigen der Familie von Aretin im gesellschaftlich-politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Leben Deutschlands tiefe Spuren hinterlassen, besonders in den südlichen Gebieten. „Er starb, ohne die ferne Heimat seiner Väter gesehen zu haben, ohne seine Eltern gekannt und ohne seine Muttersprache je erlernt zu haben. Doch noch heute, nach fast 280 Jahren, sind sich seine Enkel ihrer Herkunft bewusst und sind stolz auf ihr Armeniertum. Diese Familie hat bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht: Gelehrte, Professoren, hohe Regierungsbeamte und Kleriker. In München gibt es sogar eine Aretin-Straße. Den Mitgliedern dieser Familie begegnet man in den armenischen Heimatverbänden. Sie sind auch im „Ausschuss zur Lösung der Armenischen Frage“ vertreten. In ihren Hausbibliotheken befinden sich Werke über armenische Geschichte, armenische Architektur, armenische Musik, und ihre Eingangstür ziert das armenische Familienwappen“ - so Gerda Topakian, die Forscherin der Familiengeschichte der Aretins. Sie sind in Europa mit mehr als 35 königlichen und adeligen Familien verwandtschaftlich verbunden.
 
 
Quellen: 
Topakian, Gerda: Armenischer Hochadel in Bayern, Aroutioun ab Siounik (Aretin). In: Handes Amsorya, Zeitschrift für armenische Philologie, Wien 1988, CII. Jahrgang, Heft 1-12, S. 166-190. Ders.: Aretin, Sohn von Bagdassar. In: Schirak, Nr. 9-12, Beirut 1981. 
Gukassyan, Margo: Wer ist der Haroutioun Baghdassar von Aretin. In: Garun, Nr. 11, Jerewan 1978, S. 28-32 (in armen. Sprache).  
Kajetan Graf Czarkowski-Golejewski: Die Kurfürstin Therese Kunigunde. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Band 37, München 1974, S. 845-870. 
Vehse, Eduard: Geschichte der Höfe der Häuser Baiern, Würtemberg, Baden und Hessen. Erster Teil, Hamburg 1853, S. 270-271.  
BOSLs Bayerische Biographie. Hrsg. von Karl Bosl. Regensburg 1983, S. 24-25. 
Topakian, Gerda: Armenischer Hochadel in Bayern…, S. 166-167.  
 
 
Bild:„Johann Adam Freiherr von Aretin“ mit freundlicher Genehmigung des Instituts Monumenta Germaniae Historica
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