Dr.Garabed Antranikian: Bekannter Mikrobiologe

 „Überall waren bewaffnete Leute und sie schossen, auch auf dem Campus“, erinnert sich Prof. Dr. Garabed Antranikian an seine Studentenzeit zurück. In den siebziger Jahren herrschte im Libanon Bürgerkrieg. Garabed Antranikian studierte damals an der Amerikanischen Universität in Beirut. Er befand sich in den letzten Semestern seines Biologiestudiums und wollte in den USA promovieren. „Die amerikanische Botschaft lag etwa einen Kilometer von der Universität entfernt. Ich versuchte dahin zu laufen, um ein Visum zu beantragen. Da ständig geschossen wurde, lief ich kreuz und quer und musste mich immer wieder hinter den Bäumen auf dem Campus verstecken, die glücklicherweise sehr alt und dick genug waren, um Schutz zu bieten. Nach dem dritten Versuch verstand ich, dass das nichts bringt und schaute mich um, was es sonst noch in der Nähe gab“, erinnert er sich. Wenige Schritte von ihm entfernt, zwischen den dicken Bäumen, entdeckte er die deutsche Botschaft. Ohne lange zu zögern, suchte er sie auf und bekam nicht nur das Studentenvisum, sondern auch ein Stipendium. So kam Garabed Antranikian nach Deutschland und promivierte am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Georg-August-Universität Göttingen.  
 
Auch wenn es einfach klingt, so selbstverständlich war es nicht, an der besten und einzigen Eliteuniversität im ganzen Nahen Osten zu studieren. „Es war eine Privatuniversität und die Gebühren waren extrem hoch. Dort studierten hauptsächlich Kinder der Scheichs“, erklärt Professor Antranikian. Nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern allein der Gedanke, dort einen Studienplatz zu bekommen, war für Bewerber aus ärmlichen Verhältnissen kaum vorstellbar.  
 
„In Jordanien gab es damals normale öffentliche Schulen und ein paar wenige Privatschulen. Ging man nicht in eine gute Schule, konnte man auch nicht auf die Universität. Das war vorprogrammiert und das hatte ich als Kind verstanden. Ich wollte aber unbedingt studieren. Eines Tages bat ich meine Mutter, die als Schneiderin in der britischen Botschaft arbeitete, die Frau des Botschafters zu fragen, ob sie mich in die englische Schule schickt. Sonst hätten wir es nicht geschafft, wir hatten kein Geld. Sie redete mit Lady Parker, die dann in der englischen Schule anrief und sagte, ich könne kostenlos hingehen. So machte ich mein Abitur in einer englischsprachigen Schule in Jordanien.“ 
 
Nach der Schule wurden nur wenige Bewerber aus Jordanien zum Studium an der amerikanischen Universität Beirut zugelassen. Von der englischen Schule bewarben sich nur drei Absolventen, einer unter ihnen war Garabed Antranikian. Mit den wenigen Ersparnissen seiner Eltern, die ihm innerhalb kürzester Zeit ausgingen, fuhr er als 18-jähriger nach Beirut. Nur ein kleiner Teil des Studiums wurde durch Stipendien finanziert, so dass er auf diverse Studentenjobs angewiesen war, oft auf Kosten seines nächtlichen Schlafs. „Regelmäßig brauchten die Töchter der Scheichs Nachhilfeunterricht in Biologie“, erinnert sich Professor Antranikian und fügt schmunzelnd hinzu: „Das war eine der willkommenen Verdienstmöglichkeiten.“  
 
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Heiße Quellen und ungewöhnliche Wege

Heiße Quellen und ungewöhnliche Wege
Trotz der kräftezehrenden und zeitaufwendigen Finanzierung des Studiums meisterte Garabed Antranikian sein Biologiestudium hervorragend und durfte im Alter von 24 Jahren in Deutschland seine Promotion beginnen. Mit 80 Mark in der Tasche trat er die Reise nach Deutschland an, wo er sich mit seiner ungewöhnlichen Geschichte schließlich in der Göttinger Zeitung wiederfand. 
 
Heute ist Professor Antranikian Präsident der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und wurde mehrfach für seine Verdienste als Mikrobiologe ausgezeichnet, unter anderem mit dem höchstdotierten Umweltpreis Europas, dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
 
Professor Antranikian hat an der Universität viele Entwicklungen angestoßen und neue Lehrmethoden eingeführt. „Ich sage immer, IQ ist wichtig, aber EQ, die Emotionale Intelligenz ist wichtiger. Deshalb muss man beides haben, wenn man erfolgreich sein will. Es ist in Deutschland üblich, dass man sich in einem Fach spezialisiert, aber bei uns lernen die Studenten mehr als das. Solche Fächer wie Psychologie, Soziologie und Sprachen sind bei uns Programm. Das ist wichtig für die Entwicklung der Persönlichkeit, denn wir merken: Wissen allein hilft uns nicht.“
 
Professor Antranikian, selbst Nachkomme der Überlebenden des Völkermords an den Armeniern, forscht an Mikroorganismen, die in der Lage sind, in extremen Bedingungen zu überleben. Man nennt sie extremophile Mikroorganismen. 
 
Sein Forschungsteam, das unter anderem eng mit japanischen Wissenschaftlern zusammenarbeitet, sucht in kochend heißen Wasserquellen nach robusten Mikroorganismen. So untersuchte Professor Antranikian gemeinsam mit seinem japanischen Kollegen Professor Koki Horikoshi Bohrkerne, die aus dem Meeresboden in der japanischen Suruga-Bucht geborgen wurden.  
 
 „Früher hat man gedacht, die Mikroorganismen sterben, wenn es zu heiß oder zu kalt wird oder unter Druck. Es gibt aber in der Tat Mikroorganismen, die extreme Bedingungen vertragen. Man kann sie kochen, sie würden dennoch leben. Sie sind nützlich in der Pharma- und Chemieindustrie. Die Enzyme dieser Mikroorganismen gewährleisten zum Beispiel die Sauberkeit der Wäsche, sie beseitigen Flecken und helfen, umweltschädliche Chemikalien zu vermeiden.“  
 
Professor Antranikian war einer der wenigen Forscher, denen es gelungen ist, diese exotischen Mikroorganismen ausfindig und für die Industrie nutzbar zu machen. „Wichtig dabei ist, dass man ganz neue Wege geht. Wie im Leben auch. Standard brachte noch nie etwas Neues hervor. Wenn wir ungewöhnliche und innovative Sachen machen, kann das nur gut sein“, kommentiert Professor Antranikian scherzhaft und mit dem ihm eigenem Scharfsinn.
 

Nützliche Forschungsergebnisse und Visionen

Nützliche Forschungsergebnisse und Visionen
„Man muss versuchen, in der Industrie möglichst wenige Schadstoffe zu produzieren sowie effizientere und umweltfreundliche Prozesse zu entwickeln. Wir arbeiten daran, all das, was heute mithilfe von Chemie produziert wird, auf eine biologische Basis zu stellen und damit Schadstoffe zu vermeiden. Zum Beispiel in der Lederindustrie. Für die Behandlung von Leder kommen in einigen Ländern viel Säure und Chemikalien wie Schwermetallsalze zum Einsatz. Es bleiben giftige Reststoffe zurück, die dann in die Gewässer gelangen. In Europa ist diese Behandlungsmethode sogar untersagt.  
 
Die gute Nachricht ist, dass man Leder auch durch die Enzyme der Mikroorganismen enthaaren kann, da sie imstande sind, auch Haare abzubauen. Das ist ein einfaches Beispiel, wie man industrielle Prozesse ändern und die Chemie durch die Biologie ersetzen kann.“ Auch die Kosmetikindustrie profitiert von der Forschung an Mikroorganismen. „Es gibt Mikroorganismen, die in salzigen und trockenen Milieus überleben. Das gelingt ihnen, indem sie kleine Moleküle produzieren und so das Wasser binden. Das Wasser geht also nicht verloren. Die Kosmetikindustrie nutzt diese Moleküle und verwendet sie in diversen Cremes.“ 
 
Professor Antranikian macht auf ein weiteres gravierenderes Problem aufmerksam, nämlich die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll und liefert dabei eine passende Lösung: „Es gibt Bakterien, die in der Lage sind, aus Reststoffen hochwertige Biokunststoffe zu bilden. Aus diesen Biokunststoffen können alle möglichen Gegenstände hergestellt werden, die nach Gebrauch innerhalb von drei Monaten vollständig kompostierbar sind. Diese Technik ist marktreif, aber aufgrund der höheren Kosten im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen auf Erdölbasis nur für wenige Hersteller interessant“, bedauert er. 
 
Professor Antranikian gibt sich optimistisch. „Eine der Zukunftsvisionen ist die Nutzung erneuerbarer Ressourcen. Erdöl und Erdgas sind nicht unbegrenzt vorhanden und werden immer weniger. Sie können aber durch nachwachsende Ressourcen wie Biomasse, pflanzliche Reststoffe oder Holz ersetzt werden. Man könnte die Reststoffe mithilfe von Enzymen und Mikroorganismen in hochwertige Produkte umwandeln. Mit Hilfe natürlicher biologischer Systeme können die Fabriken der Zukunft, sogenannte Bio-Raffinerien, entwickelt werden. Es ist durchaus möglich, dass wir in zehn bis zwanzig Jahren soweit sind. Dafür ist es erforderlich, dass man neue Bakterien in der Natur findet. Heute kennt man ungefähr ein Prozent der Bakterien, die es in der Natur gibt. Vieles ist noch unbekannt.“
 
Auch dieses Jahr plant Professor Antranikian zusammen mit Forschern aus Portugal neuartige Bakterien aus heißen Quellen auf den Azoren zu isolieren. Und wer weiß, ob sie nicht bald eine weitere Entdeckung machen, die Mensch und Natur zugutekommen. 
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„Wichtig ist, dass man neue Wege geht“