Elizabeth (Mitte, hinten), Istanbul im ersten Jahrzehnt des. 20. Jahrhunderts
Foto: Privatsammlung der Familie Yazidjian
Während der Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894 bis 1896, drängte man das Oberhaupt der Familie Yazidjian zum Islam zu konvertieren, nachdem man ihm versprochen hatte, dass er durch Aufgabe seines armenischen Erbes sein Leben und sein Vermögen retten könne. Yazidjian aber weigerte sich und wurde schließlich gehängt.
Schlimmeres sollte folgen während der Massaker von 1915, dem eigentlichen Völkermord: Eine Horde Bewaffneter stürmte das Haus der Familie Yazidjians und metzelte Elizabeths Schwester mit einem Yatagan genannten osmanischen Säbel nieder. Elizabeth fiel in Ohnmacht, was ihr letzten Endes das Leben rettete.
In der Annahme, sie sei tot, schlugen die Plünderer ihr nicht den Kopf ab. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Beinahe all ihre männlichen Verwandten wurden ermordet. Elizabeth ergriff das Gewehr ihres Vaters und meldete sich zur armenischen Selbstverteidigungslegion. Ihre Tochter Mariam, Dereks Großmutter, war gerade zwei Jahre alt und ein Freund der Familie schlug vor, das Kind nach Amerika in Sicherheit zu bringen.
„Ich erinnere mich, dass mir meine Großmutter Mariam Geschichten von den ‚bösen Türken‘ und ihrem unbändigen Hass auf sie erzählte, als ich fünf Jahre alt war“, sagt Derek. „Ich weiß, dass es natürlich nicht gut ist, Kinder Hass zu lehren, aber es lässt erahnen, was sie erlitten hatte.“
Derek lernte seine Urgroßmutter nie kennen; Mariam und ihre Mutter Elizabeth fanden nie wieder zusammen. Die ursprüngliche Vereinbarung sah vor, dass sich ein Freund in Boston um Mariam kümmern solle, bis der Krieg vorbei sei und Elizabeth ihre Tochter wieder zu sich nehmen könne. Gleich nach ihrer Ankunft in Amerika wurde Mariam jedoch an ein reiches armenisches Paar verkauft, das selbst keine Kinder hatte. Sie wusste lange nichts von ihrer Adoption und man schärfte ihr ein, dass sie keiner Frau, die auftauche und die Lüge verbreite, ihre Mutter zu sein, trauen solle.
Zuhause in Armenien währte Elizabeths Kampf nicht lange. Innerhalb weniger Wochen wurde immer klarer, dass die armenischen Einheiten zu klein waren, um das Recht der Armenier auf einen Verbleib in ihrer Heimat zu verteidigen. Sie zog weiter und hoffte, ihr Kind in Amerika zu finden. Zunächst ließ sie sich in Griechenland nieder. Nachdem sie ihre Tochter in Boston ausfindig gemacht hatte, reiste sie über den Atlantik nach Amerika. Doch ihr eigenes Kind wies sie zurück.
Das Mädchen war in einer wohlhabenden und liebevollen Familie groß geworden und wollte nicht glauben, dass ihre leibliche Mutter eine mittellose Einwanderin ohne festen Wohnsitz oder festes Einkommen war. Elizabeth besaß keinerlei Papiere, die ihren rechtmäßigen Anspruch auf das Kind hätten beweisen können, daher wiesen die Gerichte ihre Klage ab und Mariam blieb bei ihren Adoptiveltern. Verzweifelt kehrte Elizabeth nach Griechenland zurück, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Sie heiratete und fand Arbeit, doch sie hörte nie auf, Briefe an ihre Tochter zu schreiben, obwohl diese alle unbeantwortet blieben. Einem dieser Briefe legte sie ein Foto bei, das wir heute allzu gut kennen